11. Juli 2014
Urlaubsvorbereitung aus ärztlicher Sicht
Gespräch mit dem Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Christoph Rübsamen
Die Urlaubszeit beginnt, viele Menschen verreisen. Sollte man im Gepäck auch eine Reiseapotheke haben?
Ja, insbesondere bei Reisen ins Ausland.
Was gehört in die Reiseapotheke alles hinein?
Zunächst die Medikamente, die unabhängig von der Reise regelmäßig benötigt werden. Zusätzlich sollten Verbandsmaterial (z.B. verschieden breite Mullbinden, 1 steriles Verbandpäckchen, Wund- und Heftpflaster, elastische Binde 8 und 10 cm breit), Fieberthermometer, kleine Schere, Splitterpinzette, Zeckenzange und Einmalhandschuhe eingepackt werden. Sinnvoll können bei allen Urlaubsreisen noch eine antiinfektive/desinfizierende Wundsalbe oder Lösung, eine Salbe gegen Insektenstichreaktionen und ein einfaches Schmerzmittel sein. An Ersatzbrille, Sonnenbrille, Sonnenschutzmittel und Insektenschutz sollte immer gedacht werden. Je nach Reiseziel, z.B. bei Reisen in Länder außerhalb der EU oder in die Tropen, sollte die Reiseapotheke in Absprache mit dem Hausarzt aufgestockt und erweitert werden.
Viele Leute fliegen in ihr Urlaubsziel, haben aber Flugangst. Muss man das aushalten oder gibt es Tabletten dagegen?
Gelegenheitsfliegern kann der Hausarzt ein Beruhigungsmittel verschreiben, das am Vorabend oder 1 bis 2 Stunden vor dem Abflug eingenommen wird. Vielflieger, also nicht der typische Urlaubsreisende, sollten ein Flugangstseminar besuchen.
Viele Leute fliegen in warme Länder. Gibt es Vorsichtsmaßregeln für Reisende, die zum Beispiel unter Kreislaufbeschwerden leiden? Sollten die eventuell zu Hause bleiben?
Reisende mit Herzkreislauferkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für Hitzeerschöpfung, Hitzekollaps oder gar einen Hitzschlag. Grundsätzlich gilt, in der Hitze müssen Alkohol, Drogen und körperliche Aktivität gemieden werden. Zusätzlich muss ausreichend Flüssigkeit aufgenommen werden. Je nach Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit können am Tag bis zu 8 l Flüssigkeitszufuhr erforderlich sein. Solche Flüssigkeitsmengen können aber für herz- oder nierenkranke Personen gefährlich sein. Möglichst schon vor der Buchung einer Reise in tropische Länder sollte deshalb eine individuelle Beratung durch den behandelnden Arzt erfolgen. Zusätzlich sollte direkte Sonneneinstrahlung gemieden und luftige Kleidung getragen werden. Besonders gefährlich - auch für völlig gesunde Reisende - sind Schattentemperaturen von über 45°C.
In welchen Ländern müssen die Urlauber besondere Hygiene-Grundsätze beherzigen?
Schon im Mittelmeerraum besteht ein erhöhtes Risiko für Hepatitis A Infektionen (infektiöse Gelbsucht) oder Durchfallerkrankungen. Wichtigste Hygienemaßnahme auf allen Reisen ist das regelmäßige Händewaschen mit Wasser und Seife insbesondere vor jeder Nahrungsaufnahme. Zusätzlich muss das Essen sorgfältig gewählt werden. Rohe, nicht selbstgeschälte Früchte, Gemüse und Salate, offene Säfte, Getränke aus nicht original-verschlossenen Flaschen oder Packungen, Eiswürfel, offene Eiscreme bzw. Eis unbekannter Herkunft und Rohmilchprodukte sollten gemieden werden. Fleisch, Fisch (auch Meeresfrüchte) und Eierspeisen sollten nur durchgegart verzehrt werden. Gefährlich können auch Speisen sein, die über längere oder unbekannte Zeit bei Umgebungstemperatur aufbewahrt wurden (offenes Buffet, Straßenverkauf). Zum Schutz vor bestimmten Krankheiten sind zusätzlich vorbeugende Maßnahmen erforderlich. In vielen Ländern Nordosteuropas aber auch in Süddeutschland ist ein Impfschutz gegen zeckenübertragene FSME (Frühsommer Meningo-Enzephalitis) sinnvoll. In tropischen Ländern bestehen zudem Krankheitsrisiken durch Stechmücken, die je nach Land oder Region verschiedene Krankheiten wie z.B. Malaria, Denguefieber und/oder Japanische Enzephalitis übertragen können. Hier ist konsequenter Mückenschutz als Basismaßnahme notwendig. Ergänzend sind je nach Land bzw. Region und Reiseart gezielte Malariaprophylaxe durch Tabletteneinnahme oder die Impfung gegen Japanische Enzephalitis erforderlich.
Ist es sinnvoll, sich gegen Krankentransport etc. zu versichern. Welche Unterlagen sollte man bei sich führen?
Gesetzlich Versicherte können in Ländern, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen besteht (dazu gehören alle EU Staaten und weitere Länder, wie Norwegen, Schweiz aber auch Tunesien und Türkei), im Krankheitsfall ärztlich behandelt werden. Notwendig ist dazu eine "Europäische Versicherungskarte" oder "provisorische Ersatzbescheinigung", die vor der Abreise bei der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse angefordert werden muss. Allerdings kommt es auch in Ländern mit Sozialversicherungsabkommen vor, dass Behandlungskosten vor Ort bar bezahlt werden müssen. Quittungen und Belege müssen dann nach der Rückkehr bei der eigenen Krankenkasse eingereicht werden. Der gesetzliche Krankenversicherungsschutz beinhaltet keinen Krankenrücktransport. Deshalb wird allgemein empfohlen, eine Auslandskrankenversicherung, die einen Rettungsrückflug beinhaltet, abzuschließen.Neben den Krankenversicherungsunterlagen und Ausweisen, sollten Impfpass (mit hoffentlich aktuellem und vollständigem Impfstatus), Allergiepass und eine Bescheinigung des Hausarztes über regelmäßig erforderliche Medikamente mitgeführt werden. Wer Medikamente benötigt, die in Deutschland oder im Zielland unter das jeweilige Betäubungsmittelgesetz fallen, benötigt für Reisen in Staaten, die dem Schengen-Abkommen beigetreten sind, eine besondere vom Hausarzt ausgestellte Bescheinigung, die zusätzlich vom zuständigen Gesundheitsamt bestätigt sein muss. Bei Reisen in andere Länder sollte zuvor über die jeweilige Botschaft geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen z.B. stark wirksame Schmerzmittel, die bei uns dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, mitgeführt werden können.
Fremde Länder, fremde Sitten, fremde Speisen. Sollte man mit ungewöhnlichen Speisen/Gewürzen vorsichtig sein?
Auf diese Frage gibt es keine pauschale Antwort. Sicherlich sollten Personen, die schon daheim bestimmte Nahrungsmittel meiden, weil sie diese nicht vertragen, diese auch im Ausland nicht essen. Für uns ungewöhnlich gewürzte Speisen haben sich im jeweiligen Urlaubsland über viele Jahrzehnte etabliert. Zum Teil sind bestimmte Nahrungsmittel dadurch besser verträglich oder verdaulich. Scharf gewürzte Gerichte können das Risiko infektiöser Durchfallerkrankungen mindern, weil sich Krankheitserreger, die Durchfälle verursachen könnten, in scharf gewürzten Speisen inaktiviert werden können. Dazu kommt, dass der einheimische Koch die Zubereitung landestypischer Speisen beherrscht. Soll er jetzt europäische Gerichte oder deutsche Hausmannskost zubereiten, sind Hygienefehler (z.B. bei der Salatbeilage) möglich.
Magen-Darmerkrankungen kann man sich vermutlich in exotischen Ländern schnell einhandeln. Wie sollte man sich dann verhalten?
Das Wichtigste ist der Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten. In Ländern mit unsicherer Trinkwasserversorgung, darf es dann auch die Cola sein, wenn Trinkwasser nicht abgekocht werden kann. Bei über mehrere Tage anhaltendem Durchfall oder Erbrechen und körperlicher Schwäche sollte ein Arzt aufgesucht werden. Wichtig ist auch hier die Händehygiene nach jedem Toilettengang.
In heißen Ländern sind die Hotels vermutlich mit Klimaanlagen ausgestattet. Das erhöht das Risiko, sich zu erkälten, wie man bei Jogi Löws Kickern gemerkt hat. Wie sollte man sich verhalten?
Klimatisierte Luft ist trocken, da kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme. Dadurch trocknen Schleimhäute von Nase, Rachen und Bronchien aus und können leichter von Erkältungsviren überwunden werden. Zusätzlich kühlt der zuvor im Freien überhitzte Körper schnell aus. Wichtig ist, dass bei Aufenthalt in klimatisierten Räumen weiterhin viel Flüssigkeit getrunken wird, um die Schleimhäute vor Austrocknung zu schützen. Außerdem sollte eine leichte Jacke und ggf. auch ein Schal getragen werden. Das gilt auch für den Flug, hier gehören immer eine leichte Jacke, warme Socken und ein Halstuch ins Handgepäck.
Letzte Frage: Wieviel Sonne ist erträglich. Welchen Schutzfaktor sollten Sonnencremes haben?
Das hängt sehr vom Hauttyp ab. Für den typisch-norddeutschen, hellen Hauttyp mit blonden oder roten Haaren und Neigung zu Sommersprossen, wird auch mit Lichtschutzfaktor 50 bei mehrstündigem Aufenthalt in der Sonne Sonnenbrand auftreten. Grundsätzlich gilt, die Haut vergisst keine Strahlendosis. Jeder Sonnenbrand erhöht das Risiko für später auftretende bösartige Hauttumore (Hautkrebs).
Sind Babys empfindlicher als Erwachsene. (Vermutlich, aber das können Sie sicherlich besser erklären).
Die zarte Haut von Babys und Kleinkindern ist wesentlich empfindlicher. Deshalb sollten Babys und Kleinkinder nur mit „strahlenundurchlässiger“ Kleidung, Hut und Nackenschutz der Sonne ausgesetzt werden. Als geeignet gelten Kleidungsstücke, die mit LSF (Lichtschutzfaktor) > 50 gekennzeichnet sind. Im Schatten einer einfachen Strandmuschel ist die Strahlenbelastung für die Kinderhaut auf jeden Fall zu hoch.