18. Dezember 2013
''Regionale Strukturen für die Zukunft schaffen'' - von Oberbürgermeister Andreas Wagner
Mit dem vorliegenden KGST-Gutachten allein lässt sich eine eindeutige Entscheidung zu Gunsten einer Einkreisung nicht fällen. Das haben die inhaltlichen Diskussionen der letzten Wochen deutlich gemacht. Gerade die strukturellen Themen sind noch nicht ausreichend untersucht worden. Es kann nicht sein, dass wir uns darauf beschränken, zu überlegen, welche Aufgaben von A nach B verschoben werden sollen. Es kann nicht ausreichen, - nach dem System linke Tasche, rechte Tasche - zu überlegen, ob Geld in Wilhelmshaven vom Haushalt der Stadt ausgegeben wird oder ob Geld aus Friesland in den Wilhelmshavener Haushalt fließt.. Für die Region bedeutet das: Kein Mehrwert.
Es muss vielmehr darum gehen, wie Stadt und Landkreis gemeinsam insgesamt weniger ausgeben. Also wie sie effizienter und besser den in Zukunft möglicherweise geringeren Bevölkerungszahlen Rechnung tragen werden.
Aber eines hat das Gutachten und die Diskussion darüber in Politik, Wirtschaft, Bevölkerung, Medien und Verwaltung deutlich gezeigt: wir müssen regionaler denken und handeln, wenn wir für die Zukunft gerüstet sein wollen.
Die Region Wilhelmshaven-Friesland (möglicherweise auch mit den Landkreisen Wesermarsch und Wittmund) kann ein Zukunftszentrum sein. Wenn sie will. Wenn alle Kräfte gebündelt und auf Zukunftsprojekte fokussiert werden. Dazu müssen alle Akteure in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Gesellschaft, Kirchen, Sport und die Medien in einen konstruktiv-kritischen Zukunftsdialog eintreten und ihre Energie in die Suche nach Lösungen investieren. Rückwärtsgewandte Abwehrdiskussionen dürfen dabei nicht geführt werden.
Ein breiter Dialog auf allen Ebenen ist nötig. Dieser Dialog benötigt vor allem Zeit und Sorgfalt. Die Menschen in der Region wollen eingeladen werden, sich aktiv einzubringen, wollen ihre Ideen und Ängste, ihre Visionen und Hoffnungen formulieren. Wie groß der Wunsch danach ist, beweist nicht zuletzt die aktive Beteiligung der Menschen am StepPlus-Prozess. Die mit dem Einkreisungs-Gutachten begonnene Diskussion sollte also als Startschuss für die Konkretisierung der regionalen Chancen verstanden werden. Die erkennbaren Vorteile für alle Beteiligten müssen herausgearbeitet werden.
Ziel ist es, die bisherigen räumlichen Grenzen zu überwinden und ein neues regionales Denken zu implementieren. Alle Akteure müssen gemeinsame Ziele verfolgen, ohne ihre lokale Identität aufzugeben und sich mit einer gemeinsamen Sprache dem Wettbewerb mit anderen Regionen um Einwohner, Arbeitsplätze, Touristen, Infrastruktur und Steuereinnahmen stellen. Dieser Wettbewerb wird nicht leicht sein, denn auch anderenorts findet ein demographischer Wandel statt. Tatsache ist aber auch: Nur eine starke Region wird in diesem Wettbewerb bestehen.Eine Umverteilungsdiskussion und eine mögliche Verschiebung von Aufwendungen von dem einen Haushalt in den anderen und dann wieder Zurückbelastung in den ersten bringt niemanden weiter und wäre Augenwischerei.
Die Schaffung von neuen Strukturen ist die eigentliche Herausforderung für die Zukunft, nicht die Gier nach kurzfristigen Einmaleffekten, deren betriebs- und volkswirtschaftliche Detailbetrachtung zudem ein durchaus differenziertes Ergebnis ergibt. Seriosität und vertrauensvolle Zusammenarbeit sind das Gebot der Stunde - Aktionismus, vorschnelle Lösungen sind nicht gefordert. Auch nicht um den Preis einer Hochzeitsprämie.
Die Region hat bisher mehrfach erfolgreich gezeigt, dass interkommunale Lösungen erfolgreich umgesetzt werden können. Der Zweckverband Veterinärwesen, die gemeinsame Leitstelle oder auch der gemeinsame Kirchenkreis Wilhelmshaven-Friesland der evangelischen Kirche sind Positivbeispiele in diesem Sinne. Aber ist das auf die Dauer nicht ausreichend.
Die Schaffung neuer interkommunaler Strukturen ist eine hochkomplexe Aufgabe, mit unzähligen politischen, rechtlichen, psychologischen und wirtschaftlichen Fragestellungen und nicht wenigen Hürden. Unser Ziel muss es sein, gemeinsam in eine methodische und umfassende Sammlung dieser Fragen einzusteigen. Anschließend können wir einen systematischen und transparenten Dialog in der notwendigen Breite und Tiefe führen, um zu nachhaltigen Lösungen zu kommen. Lösungen, die in der mittleren bis langen Frist echte Ersparnisse für die Bürgerinnen und Bürger bringen.
Der vorliegende Bericht der KGSt gibt dazu im Sinne einer Potenzialanalyse sinnvolle Hinweise. Aber er liefert keine fertigen Lösungen! Insofern ist die Arbeit der KGSt ein brauchbarer Startschuss in eine Diskussion, aber keinesfalls ihr Endpunkt! Vielmehr ruft er uns auf, näher zusammenzurücken und - so wie Landrat Sven Ambrosy proklamiert - „Mehr Region (zu) wagen“. Tatsächlich dieses Wagnis einzugehen bedeutet aber: „Strukturelle Reformen anzupacken“ und umzusetzen!
Fangen wir einfach mit konkreten Beispielen an!Die Intensivierung der Zusammenarbeit im Themenfeld „Feuerwehr“. Der Landkreis Friesland plant derzeit Investitionen in Höhe von über 2,8 Mio. Euro für die Sanierung und den Ausbau des Kreisfeuerwehrsitzes in Jever. Wilhelmshaven will eine neue Feuerwache Nord bauen, die gemeinschaftliche Aufgaben von der Berufsfeuerwehr Wilhelmshaven für die Freiwilligen Wehren in Friesland mit erledigen könnte, wenn es gewünscht wäre. Man könnte sich dann beispielsweise auf eine einzige Schlauchwaschanlage beschränken anstatt zwei anzuschaffen. Hier könnte ein Konzept für eine gemeinsame „Feuerwehr“, warum nicht auch gleich ein gemeinsamer „Katastrophenschutz“ – ich sage nur das Stichwort „Kavernen Etzel“- erarbeitet werden.
Beispiel Krankenhaus: Für alle in Kreis und Stadt ist die Gesundheitsversorgung von erheblicher Wichtigkeit. Unabhängig von Ein- oder Zweihausstrategie ist es gemeinsame Verantwortung, die Versorgung sicherzustellen und zwar hier bei uns und nicht in anderen Regionen.
Ein weiteres Beispiel, die Synchronisierung der IT-Bereiche. Es gibt große Unterschiede in der Infrastruktur der Verwaltungen des LK Friesland und der Stadt. Es wäre zukunftsgerichtet gedacht, wenn wir klären, welche IT-Systeme zukünftig als gemeinsame IT-Strategie verfolgt werden. Hier stecken nicht nur gemeinsame sinnvolle Investitionen, sondern auch ein Stück gemeinsamer regionaler Zukunft.
Die Generation der heutigen Grundschulkinder wird in einigen Jahren als Erwachsene kaum mehr bereit sein, zur Zulassung eines (dann vermutlich elektrisch angetriebenen) Fahrzeuges in eine KFZ-Zulassungsbehörde zu gehen (wo auch immer diese in der Region beheimatet ist), um im Ergebnis ein Blechschild am Auto zu verschrauben. Sie werden einen behördlichen Internetdienstleister bemühen, dessen geographische Heimat völlig unerheblich ist, und ihr Kennzeichen via Datenübertragung und LED-Technik direkt an ihr Fahrzeug übertragen bekommen. Diese zukünftigen Erwachsenen werden auch nicht mit Bergen von Papier persönlich in einer Behörde um eine Baugenehmigung für ihr Eigenheim ersuchen, sondern dies mit ihrem Architekten und der Behörde netzbasiert erledigen.
Diese heute schon absehbaren Veränderungen weg von den klassischen Sprechzeiten hin zum modernen E-Government haben elementare Auswirkungen auf kommunale Strukturen. Natürlich werden einerseits klassische Verwaltungsdienstleistungen weiterhin erforderlich sein, aber in völlig anderer Form erbracht werden – ortsungebunden, technisch optimiert, verfügbar unabhängig von Öffnungszeiten und mit geringem Personalaufwand darstellbar. Den Nutzern wird es egal sein, inwiefern sich hinter ihrem Dienstleister eine Stadt, ein Landkreis oder eine GmbH verbirgt.
Die Dienstleistungen der sozialen Interaktion werden hingegen aufgrund demographischer Entwicklungen an Bedeutung gewinnen. Dazu zählen insbesondere Tätigkeiten im Gesundheitswesen, in der Seniorenarbeit, der Bildung & Erziehung, die so genannten „inklusiven Dienstleistungen“ für ganz normal unterschiedliche Menschen, der Sektor Sicherheit & Ordnung, die Infrastruktur (Straßen, Ver- und Entsorgung etc.) sowie die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Alle diese kommunalen Aufgaben sind ortsgebunden und werden im direkten Kontakt mit den nachfragenden Menschen vor Ort erbracht.
Und auch wenn die Anzahl der rund um den Jadebusen lebenden Menschen kleiner werden wird, so dürfte die Nachfrage nach entsprechenden kommunalen Dienstleistungen steigen. Umso sinnvoller erscheint es, hier nach qualitativ hochwertigen regionalen Lösungen zu suchen, die bedürfnisgerecht zur Verfügung stehen und bezahlbar sind und bleiben.
Wie können wir den Weg zur Region mit Zukunft schaffen? Oberste Prämisse: Es gilt, Vertrauen und Transparenz als Basis zu schaffen. Klare und konkrete Ziele müssen zu Projekten entwickelt werden. Alle Beteiligten begegnen sich auf Augenhöhe, bündeln ihre Ressourcen und Kompetenzen, akzeptieren Unterschiede, ohne diese als Begründung eines lokalen Separatismus zu missbrauchen. Es muss das Bewusstsein wachsen, im Wettbewerb mit anderen Regionen nur dann bestehen zu können, wenn die Küste stark, laut und gemeinsam in Brüssel, Berlin und Hannover auftritt.
Ganz am Ende dieses Prozesses wird dann die Frage im Raum stehen, wie die Zukunftsregion heißen wird, wo sie ihren Sitz hat, wie Gemeinsamkeiten und Eigenverantwortlichkeiten in ein ausgewogenes Gesamtkonzept zu integrieren sind, wo Kooperation Sinn macht – und wo nicht. Es geht also zunächst um substantiellen regionale Fragen, die einvernehmlich zu lösen sind, nicht um Emotionen.