Stadt Wilhelmshaven

18. März 2020

Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung der Stadt Wilhelmshaven zur Ausweitung kontaktreduzierender Maßnahmen für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Heime für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen nach § 2 Abs. 2 Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG) und Einstellung des Betriebs von Einrichtungen der Tagespflege i. S. v. § 2 Abs. 7 NuWG anlässlich der Eindämmung der Atemwegserkrankung „COVID-19“ durch den Coronaviruserreger SARS-CoV-2

Veröffentlichung in der Wilhelmshavener Zeitung am 18. März 2020

Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung der Stadt Wilhelmshaven

zur Ausweitung kontaktreduzierender Maßnahmen für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Heime für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen nach § 2 Abs. 2 Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG) und Einstellung des Betriebs von Einrichtungen der Tagespflege i. 5. v. § 2 Abs. 7 NuWG anlässlich der Eindämmung der Atemwegserkrankung „COVID-19" durch den Coronaviruserreger SARS-CoV-2

Gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 20.07.2000 (BGBl. S. 1045) in der derzeit geltenden Fassung wird für den Bereich der Stadt Wilhelmshaven folgende Allgemeinverfügung erlassen:

  1. Alle Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen haben Maßnahmen zu ergreifen, um Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patientinnen, Patienten und Personal vor einer COVID-19-Infektion zu schützen; insbesondere sind Besuchs- und Betretungsverbote auszusprechen.

    Ausgenommen von den Besuchsverboten sind Besuche von werdenden Vätern, von Vätern von Neugeborenen, von Eltern und Sorgeberechtigten von Kindern auf Kinderstationen und Besuche enger Angehöriger von Palliativpatienten. Wenn medizinisch oder ethisch-sozial vertretbar, sind die Besuche bei erwachsenen Patienten zeitlich zu beschränken. Ausnahmen können zudem im Einzelfall für Seelsorger oder Urkundspersonen unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln zugelassen werden.

    Kantinen, Cafeterien oder andere der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen für Patienten und Besucher sind zu schließen.

    Sämtliche öffentliche Veranstaltungen wie Informationsveranstaltungen, Vorträge, Lesungen, etc. sind zu unterlassen.

  2. Es ist verboten Heime für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen nach § 2 Abs. 2 NuWG zu besuchen bzw. zu betreten.

    Ausgenommen von diesen Besuchsverboten sind nahestehende Personen von palliativmedizinisch versorgten Bewohnerinnen und Bewohnern. Ausnahmen können zudem im Einzelfall für Seelsorger oder Urkundspersonen unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln zugelassen werden.

    Die behandelnden Ärzte und die zur Pflege bestimmten Personen haben freien Zutritt.

  3. Der Betrieb für alle Einrichtungen der Tagespflege nach § 2 Abs. 7 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen in der Stadt Wilhelmshaven wird untersagt.

    Ausgenommen von dieser Anordnung ist die Notbetreuung in kleinen Gruppen. Die Notbetreuung ist auf das notwendige Maß zu begrenzen.

    Die Notbetreuung dient dazu, ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen aufzunehmen, deren Familienangehörige, die im Übrigen die Pflege wahrnehmen, in sog. kritischen Infrastrukturen tätig sind. Hierzu gehören insbesondere folgende Berufsgruppen

    • Beschäftigte im Gesundheitsbereich, medizinischen Bereich und pflegerischen Bereich,
    • Beschäftigte insbesondere im Bereich der Polizei, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und Feuerwehr,
    • Beschäftigte im Vollzugsbereich einschließlich Justizvollzug, Maßregelvollzug und vergleichbare Bereiche,
    • Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen.

    Ausgenommen von dieser Anordnung ist auch die Betreuung in besonderen Härtefällen (etwa drohende Kündigung, erheblicher Verdienstausfall).

    Es wird empfohlen, das durch eine Schließung der Tagespflegeeinrichtungen freie Personal für die Versorgungssicherstellung sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich einzusetzen, auch trägerübergreifend bei entsprechenden Personalengpässen.

  4. Diese Anordnung ist zunächst bis zum 19. April 2020 befristet.

  5. Auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 enthaltene Anordnung gemäߧ 75 Abs. 1 Nr. 1; Abs. 3 lfSG wird hingewiesen.

  6. Die Anordnung ist gemäߧ 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 lfSG sofort vollziehbar.

Begründung

Die Stadt Wilhelmshaven erlässt gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (lfSG) i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 3 NGöGD vom 24. März 2006 in der derzeit geltenden Fassung diese Allgemeinverfügung. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach S. 2 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in§ 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.

Erkenntnisse aus anderen Ländern belegen die sehr hohe Dynamik des Infektionsgeschehens. Das Ziel, die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 hier in Niedersachsen zu verlangsamen, wird weiterhin verfolgt. Dank Ihres bisherigen Einsatzes und Ihrer nachhaltigen und erfolgreichen Umsetzung der Containment-Strategie vor Ort sind wir in Niedersachsen jetzt in der Lage, die nächsten notwendigen Maßnahmen starten zu können, um besondere Gruppen zu schützen.

Hierzu zählen die Beschäftigten im Medizin- und Pflegebereich, die zur Aufrechterhaltung der medizinischen und pflegerischen Versorgung zwingend erforderlich sind.

Darüber hinaus ist die Gruppe der älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie die Gruppe multimorbider Menschen einem besonders hohen Risiko an schweren Krankheitsverläufen ausgesetzt, wenn sie sich mit dem Corona Virus infizieren. Daher gilt es, auch diese Gruppe besonders zu schützen.

Vor diesem Hintergrund ist das Besuchs- und Betretungsverbot die einzig wirksame und verhältnismäßige Maßnahme, um eine Infektion durch soziale Nahkontakte zu verhindern und einen möglichen Viruseintrag durch nicht behandlungsbedürftige oder pflegebedürftige Dritte zu verhindern.

Nach eindringlicher Einschätzung der Fachexpertinnen und Fachexperten ist damit zu rechnen, dass kurzfristig eine neue Eskalationsstufe der Pandemiebewältigung eintreten wird. Es wird dann nicht mehr ausreichen, die Ansteckungen zurückzuverfolgen und alle betroffenen Personen unter Quarantäne zu nehmen. Die Ansteckungsketten müssen somit kurzfristig noch effektiver unterbrochen werden. Dieses gilt insbesondere auch für Einrichtungen, in denen Menschen leben und versorgt werden, für die durch Alter, Erkrankung oder Behinderung ein besonderes Risiko durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 besteht.

Die Untersagungs-Maßnahmen sind nach fachlicher Risikobewertung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zwingend erforderlich und in diesem Stadium noch erfolgversprechend möglich.

Die Allgemeinverfügung findet ihre Grundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 lfSG. Zuwiderhandlungen sind daher strafbar nach § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 lfSG.

Diese Allgemeinverfügung gilt einen Tag nach ihrer Bekanntmachung als bekannt gegeben. Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen haben keine aufschiebende Wirkung.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg, Schlossplatz 10, 26122 Oldenburg, erhoben werden.

Carsten Feist
Oberbürgermeister

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